In der Weltrangliste vom 30. Januar 2017 taucht
Mirjana Lucic-Baroni an Position 29 auf. Knapp 35-jährig hat sie damit
im sehr reifen Tennis-Alter ihre beste Platzierung der Karriere
erreicht. Bei den Australian Open qualifizierte sie sich sensationell
für das
Halbfinale und bezwang auf ihrem Weg u.a. die Weltnummer 3, Agnieszka
Radwanska und die Nummer 5, Karolina Pliskova, welche von einigen als
Topfavoritin gehandelt wurde. Es brauchte schon Serena Williams, um den
Lauf der Kroatin zu stoppen.
Wenn es um emotionale Momente geht, war ihr
Interview unmittelbar nach dem Viertelfinalsieg gegen Pliskova,
vielleicht der bewegendste überhaupt der diesjährigen Australian Open,
als sie bei einer bestimmten Frage in Tränen ausbricht und man erahnen
kann, welch Schwierigkeiten sie überwinden musste, um heute endlich
wieder auf der Sonnenseite zu stehen:
On-Court Interview mit Mirjana Lucic
Mirjana Lucic galt einst als eines dieser
Tennis-Wunderkinder, welchen eine glorreiche Tennis-Zukunft vorausgesagt
wurde. Gerade mal 14-jährig spielte sie 1996 ihr erstes Profi-Turnier
und qualifizierte sich auf Anhieb für das Finale. 1998 gewann sie
zusammen mit Martina Hingis die Doppelkonkurrenz bei den Australian
Open, 1999 erreichte sie in Wimbledon das Halbfinale und verlor nur
knapp gegen Steffi Graf. Doch gleichzeitig sollte es ihr letztes
GS-Halbfinale bleiben - bis zum 25. Januar 2017 und dem erwähnten Erfolg
über Pliskova...
Dazwischen liegen fast 18 Jahre! Eine Ewigkeit in
einem Sportler-Leben und normalerweise wesentlich länger als eine
"normale" Profikarriere dauert. Was war passiert? Warum kam nach einem
rasanten Aufstieg ein abrupter Absturz?
Ende 1999 figuriert Lucic an Position 50 der
Weltrangliste, ein Jahr später ist sie jedoch nur noch die Nummer 207. Erst
14 Jahre später, im Laufe des Jahres 2014, taucht sie wieder in den Top
100 auf.
Es ist eine traurige Geschichte, von der jedoch
noch gar nicht allzu viel bekannt ist, mit einem
gewalttätigen Vater (einst ebenfalls Profisportler), vor dem Mirjana
zusammen mit ihrer Mutter und ihren vier Geschwistern in die USA fliehen
muss. Gefolgt von Jahren mit psychischen und finanziellen Problemen und
einem juristischen Streit mit ihrer einstigen Management Firma, welcher
sich über Jahre hinzog. In den Jahren 2004 bis 2006 spielte sie nur zwei
Partien auf Profi-Ebene, weil sie sich weitere Starts schlicht nicht
mehr leisten konnte. Danach nimmt sie wieder vermehrt an kleineren
Turnieren teil, jedoch mit bescheidenen Ergebnissen. Ab 2010 geht es
zwar wieder aufwärts, doch ohne die grossen Erfolge.
Rückblickend auf diese Zeiten sagt Mirjana
Lucic-Baroni vor einigen Tagen:
"Ich hatte die Wahl aufzugeben oder in der Situation zu wachsen."
Und beim angesprochenen Platzinterview (siehe obiger Link):
"Das
hier macht alles wieder gut, was mir in meinem Leben Schlechtes
widerfahren ist. Es ist unglaublich, weil es sich gelohnt hat, so stark
zu bleiben und immer weiter zu kämpfen."
Sie sagt auch, dass sie eines Tages ihre ganze Geschichte erzählen werde.
Es dürfte beides sein: Eine schockierende, aber auch Hoffnung gebende
Geschichte...
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