Olympische
Spiele 2012 in London
Drei
Wochen nach Beendigung des Wimbledon-Turniers 2012 kehrte der
Tenniszirkus bereits wieder in den Südwesten Londons zurück, nachdem
die Olympischen Sommerspiele am 27. Juli mit einer eindrücklichen
Eröffnungsfeier begonnen hatten. Damen-Einzel Als
amtierende Wimbledon-Siegerin und unter Berücksichtigung ihrer
spielerischen Möglichkeiten war Serena Williams die Topfavoritin auf
die Goldmedaille. Auf dem Weg zu ihrem 5. Wimbledon-Titel hatte sie
jedoch auch einige Schwächen offenbart und einige Partien nur sehr
knapp für sich entscheiden können. Wie würde sie sich einige Wochen
später bei den Olympischen Spielen präsentieren? Eine olympische
Goldmedaille im Einzel war noch das fehlende Element in ihrer
Titelsammlung... Was
Serena Williams dann während des olympischen Tennisturniers zeigte, ist
wohl etwas vom eindrücklichsten, was es je im Damenbereich zu sehen
gab. Von Runde 1 an war sie im Rhythmus und dominierte die Konkurrenz
nach Belieben. So gut wie alles funktionierte - es war eine
Demonstration auf allerhöchstem Niveau. Einige Zahlen und Fakten
belegen die beinahe schon beängstigende Überlegenheit:
-
in ihren 6
Partien gab sie ganze 17 Games ab. Das Gameverhältnis lautete
demnach 72:17
-
während des
ganzen Turniers gab sie ihren Aufschlag ein einziges Mal ab (in
Runde 2 gegen die Polin Urszula Radwanska)
-
165 Winnern
standen nur 64 unerzwungene Fehler gegenüber
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im Halbfinale
bezwang sie die Weltnummer 1 Victoria Azarenka mit 6:1 und 6:2
-
im Finale setzte
sie sich mit 6:0 und 6:1 gegen Maria Sharapova durch
Wenn wir davon
sprechen auf mentaler Ebene möglichst den idealen Leistungszustand zu
erreichen, sind die Auftritte von Serena Williams beim Olympia-Turnier
ein Paradebeispiel dafür, wie es aussehen kann, wenn eine Athletin sich
darin befindet und in "the zone" ist.
Williams sagte nach
dem Turnier, dass sie wohl noch nie besseres Tennis gespielt habe und
fügte weiter an: "Ich
war einfach wie blind heute und so fokussiert. Es war etwas ganz
Spezielles mit diesem Tag und diesem Turnier."
Und auch die
Gegnerinnen zeigten sich tief beeindruckt. So sagte bspw. Sharapova,
dass es unglaublich sei mit viel Vertrauen Serena gespielt habe ("She's
playing incredibly confident tennis").
Herren-Einzel
Im Herren-Einzel
sollte es im Finale zu einer Neuauflage des Wimbledon-Finals zwischen
Roger Federer und Andy Murray kommen. Federer
bekundete in Runde 1 gegen den Kolumbianer Alejandro Falla grosse
Probleme und konnte die Nervosität nie ablegen. Nach glücklich
überstandener Startpartie fand er anschliessend besser zu seinem
Rhythmus. Zu einem Tennis-Krimi kam es im Halbfinale, als er auf den
Argentinier Juan Martin Del Potro traf. Nachdem Federer in extremis den
Satzausgleich schaffte, konnte er im Entscheidungssatz mehrere gute
Gelegenheiten nicht nutzen, setzte sich schlussendlich aber doch noch
mit 19:17 im dritten Satz durch. Mit diesem Erfolg stand bereits fest,
dass Federer im vierten Anlauf erstmals eine olympische Medaille im
Einzel gewinnen würde. Murray
seinerseits zeigte sich von Beginn weg fokussiert und in guter Form.
Keine Spur davon, dass er das verlorene Wimbledon-Finale noch nicht
verdaut hätte. Im Halbfinale spielte er gross auf und gewann gegen
Novak Djokovic in zwei Sätzen. Auffallend, dass Murray dabei etwas
offensiver als sonst agierte und er in den Partien jeweils der Spieler
war, der die Grosszahl der Ballwechsel diktierte. Würde ihm dies auch
im Finale gelingen und würde er nochmals so unbeschwert auftreten
können? Zum
Finale: Im ersten Aufschlagsgame von Murray hatte Federer zwei
Breakmöglichkeiten, um gleich vorzulegen. Nachdem Murray diese abwehren
konnte, fand er sofort zu seinem Spiel und war fortan in Satz 1 der
dominierende Mann. Auch in Satz 2 gelang ihm das frühe Break. Federer
hatte in der Folge diverse Chancen zu seinem ersten Break, um wieder
heranzukommen, doch die grosse Differenz lag an diesem Tag bei den
"Big Points", welche nahezu alle an Murray gingen. Während
der Schotte konsequent seine Breakchancen nutzte, gelang Federer bei 9
Breakbällen kein einziges Break und so endete die Partie überraschend
klar mit einem 3-Satz-Erfolg für Andy Murray. Bezeichnend auch, wie
Murray die Partie beendete. Als er bei 5:4 im dritten Satz für den
Matchgewinn aufschlägt, zeigt er keinerlei Nerven. Mit einem
abschliessenden Ass genau auf die Mittellinie, gibt er seinem Gegenüber
keine Gelegenheit mehr zu einer Reaktion. Beim fünften Anlauf hatte er
endlich seinen ersten grossen Titel gewonnen und dies mit einem famosen
Auftritt. Federer zeigte sich danach auch nicht gross enttäuscht und
musste fair anerkennen, dass Murray an diesem Tag einfach zu gut und der
klar bessere Spieler war. Erfreulich auch, dass er nicht der verpassten
Goldmedaille nachtrauerte, sondern umgehend davon sprach "Silber
gewonnen zu haben". Bei
Murray setzte sich das fort, was in den letzten Monaten bereits zu
beobachten war. Im mentalen Bereich hat er sich deutlich gesteigert: Er
wirkt fokussierter, ruhiger und entschlossener und seine Körpersprache
ist viel positiver als früher. Schon im Wimbledon-Finale war er nahe an
seinem ersten ganz grossen Titelgewinn, einen Monat später hat er dies
an gleicher Stätte hochverdient erreicht. Interessant
ist noch dies: Inwieweit wurde Andy Murray von der Euphorie getragen,
welche in Grossbritannien ausgebrochen war, nachdem die britischen
Athletinnen und Athleten die ersten Medaillen eingefahren hatten? Am Tag
zuvor gab es gleich 6-mal Gold zu feiern, alleine in der Leichtathletik
innerhalb einer Stunde 3-mal. Die Presse schrieb vom erfolgreichsten Tag
in der Geschichte des britischen Sports und dieser "Spirit"
schien auch Andy Murray auf seinem Weg zu Olympia-Gold zu beflügeln...
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